Eine schräge Unterschrift macht ein „schräges“ Arbeitszeugnis

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Raum Fragen rund um das Arbeitszeugnis einnehmen. Zumeist ist das Arbeitszeugnis zunächst außergerichtlicher Schauplatz für Befindlichkeiten; wenn die Parteien auf diesem Weg keine Lösung finden, wird geklagt. Außerdem werden im arbeitsgerichtlichen Prozess (v. a. im Kündigungsrechtsstreit) häufig Vergleiche geschlossen, in denen der – ohnehin bestehende – Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers näher geregelt und vor allem tituliert wird. Der Anspruch kann dann (notfalls) vollstreckt werden.


Wegen der – auch vom Arbeitgeber – häufig gestellten Fragen zu der verklausulierten Zeugnissprache und zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Bewertung im Zeugnis werden wir einen eigenen Beitrag veröffentlichen.
An dieser Stelle geht es darum, „wie der Arbeitgeber das Zeugnis seines Arbeitnehmers zu unterschreiben hat“.


Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO können Arbeitnehmer ein schriftliches Zeugnis beanspruchen, wenn ihr Arbeitsverhältnis endet. (Auch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses existieren u. U. Zeugnisansprüche, beispielsweise auf ein Zwischenzeugnis – dazu wann anders) § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO legt fest, dass der Arbeitnehmer mindestens ein sog. einfaches Zeugnis beanspruchen kann, welches Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben des Arbeitgebers auf seine Arbeitsleistung sowie auf sein Verhalten erstrecken, § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO (qualifiziertes Arbeitszeugnis).


„Schriftlich“ ist das Arbeitszeugnis, wenn es vom Aussteller eigenhändig unterschrieben ist, § 126 Abs. 1 BGB.


Letzteres klingt einfach. Gleichwohl haben die Arbeitsgerichte immer wieder zu klären, wann eine „Unterschrift“ i. S. d. § 109 Abs. 1 GewO i. V. m. § 126 Abs. 1 BGB vorliegt und wann nicht.


Vor etwa zwei Monaten entschied das LAG Hamm (Beschluss vom 27.07.2016 – 4 Ta 118/16) zu dem Themenkomplex in einem „bunten“ Fall:
Eine Mitarbeiterin verständigte sich mit ihrem (sodann ehemaligen) Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz vergleichsweise darauf, dass sie ein wohlwollend qualifiziertes Arbeitszeugnis erhält. Ein solches wurde der Arbeitnehmerin auch übersandt. Über den Inhalt dieses Zeugnisses haben die Arbeitsvertragsparteien zu keinem Zeitpunkt gestritten                     – jedoch darüber, dass das Arbeitszeugnis nicht vom Geschäftsführer – also Arbeitgeber –, sondern von einem Personalreferenten unterschrieben worden war. Nachdem die Mitarbeiterin dagegen protestierte, unterschrieb der Geschäftsführer das Zeugnis. Die Arbeitnehmerin war allerdings – negativ – überrascht, dass ihr Vorgesetzter nicht in der Form, die er ansonsten im Geschäftsverkehr pflegt, unterzeichnete, sondern in einer „Kinderschrift“. Auf die erneute Kritik der Mitarbeiterin hin hieß es, der Geschäftsführer habe einen Schlüsselbeinbruch erlitten und deswegen sei keine „übliche“ Unterschrift möglich. Nachdem die Arbeitnehmerin – trotz inhaltlicher Konvergenz – noch immer nicht in den Genuss ihres Zeugnisses gekommen war, setzte sie wieder – die prozessualen Umstände seien hier vernachlässigt – beim Arbeitsgeber nach. Dieser zeigte erneut „Phantasie“ und unterschrieb zwar mit dem Duktus eines Erwachsenen – er schrieb allerdings nicht parallel zum maschinenschriftlichen Zeugnistext, sondern „diagonal abfallend“ von links oben nach rechts unten. Im Tatbestand des Beschlusses des LAG heißt es, dass der Geschäftsführer seinen Namen in einem Winkel von etwa 30 Grad unter den Zeugnistext gesetzt hat. Auch hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin und bekam Recht: Ihre Argumentation, die diagonal abfallende Unterschrift bringe eine erhebliche Distanzierung zum Zeugnistext und damit zugleich eine Entwertung des selben mit sich, wurde erhört. Im dritten Leitsatz seines Beschlusses führt das LAG aus: „Eine quer zum Zeugnistext verlaufende Unterschrift begründet regelmäßig Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und verstößt damit gegen § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Zwecksetzung des Unterzeichnenden an.“


Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO darf das Arbeitszeugnis keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
§ 109 Abs. 2 Satz 2 GewO wird sinnentsprechend zusammengefasst, dass ein Arbeitszeugnis kein sog. unzulässiges (negatives) Geheimzeichen enthalten darf. Eben ein solches hat das LAG Hamm hier aber erblickt.


Auch das vorangegangene Vorgehen des Arbeitgebers, und zwar mit einer Kinderschrift/Erstklässlerschrift zu unterzeichnen, konnte vor dem Arbeitsgericht nicht bestehen: Das LAG Hamm (a. a. O.) bemerkte, dass die Unterschrift eines Arbeitszeugnisses so zu erfolgen hat, wie der Unterzeichner auch sonst wichtige betriebliche Dokumente unterschreibt. Zudem ist ein für die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug erforderlich. Nur individuelle Merkmale könne eine Nachahmung erschweren (vgl. BAG, Urteil vom 06.09.2012 – 2 AZR 585/11). Das LAG sah das Vorgehen des Arbeitgebers auch nicht mit dem Schlüsselbeinbruch des Geschäftsführers entschuldigt.


Wir beraten Sie gerne zu allen Fragen rund um ein Arbeitszeugnis.