If you have any questions – „Zulässige“ Fragen im Vorstellungsgespräch und „erlaubte Lügen“

Die Frage, wonach sich der – potentielle – Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch erkundigen darf, ist ein Klassiker des Arbeitsrechts. Dabei ist die Themenstellung so nicht ganz sauber formuliert: Gefragt werden kann viel; interessant ist aber, was der Bewerber wahrheitsgemäß zu beantworten verpflichtet ist.
Ist die Frage „unzulässig“, besteht die Rechtsfolge darin, dass der Bewerber lügen darf. Diese Lüge berechtigt den Arbeitgeber weder zur Anfechtung seiner abgegebenen Willenserklärung nach §§ 119, 123 BGB noch dazu, das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt zu kündigen.


Der Arbeitnehmer muss wahrheitsgemäß antworten, wenn der Arbeitgeber an der Information ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ hat. Das dürft für die Beteiligten eines Vorstellungsgesprächs noch nicht ausreichend aufschlussreich sein. Gemeint ist, dass die Frage „zulässig“ ist, wenn die Antwort für die Tätigkeit am Arbeitsplatz erheblich ist; demgegenüber muss ein Bewerber keinen Einblick in sein Privatleben geben, so sehr es andere Gesprächsbeteiligte auch interessieren mag.


Die folgenden Beispiele mögen das illustrieren:
Arbeitserlaubnis: Die Frage, ob er über eine Arbeitserlaubnis verfügt, muss vom Bewerber richtig beantwortet werden. Ein Arbeitgeber darf Ausländer aus Drittstaaten, die keinen Aufenthaltstitel besitzen, nicht beschäftigen, vgl. §§ 4, 18 AufenthalthG. Die Einhaltung seiner gesetzlichen Verpflichtungen stellt selbstverständlich ein berechtigtes Interesse im oben genannten Sinn dar.


Familienplanung: Nach Art. 6 I GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Daraus wird abgeleitet, dass Fragen zu Heiratsabsichten, Kinderwünschen u. ä. nicht – wahrheitsgemäß – beantwortet werden müssen. Mancher potentielle Arbeitgeber wird einwenden, dass solche Auskünfte einiges über den Bewerber offenbaren (Mobilität/ Umzugsbereitschaft u. ä.). Da der angesprochene Bereich aber den Kern des Privaten betrifft, muss das Arbeitgeberinteresse zurücktreten.
Finanzielle Verhältnisse: Der zum Gespräch einladende Arbeitgeber hat grundsätzlich kein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran zu erfahren, ob der Bewerber in den Genuss eines Erbes kam und/ oder Eigentümer lukrativer Sachwerte  ist oder sein Leben bescheiden gestaltet. Eine Ausnahme gilt, wenn die Person mit Fremdgeldern umgehen muss. Massive finanzielle Probleme des Mitarbeiters können – jedenfalls in Einzelfällen – zu einer berechtigten Vorsicht des Arbeitgebers führen.


Gesundheit bzw. Krankheit: Was hier zu offenbaren ist, dürfte einer der meist gestellten Fragen in der arbeitsrechtlichen Praxis sein und hängt davon ab, ob eine bestehende Krankheit zugleich eine längere oder regelmäßig wiederkehrende Arbeitsunfähigkeit bedeutet und/ oder sich anders auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, indem z. B.  andere  Mitarbeiter angesteckt werden (können). Wenn also etwa der sich als Chemiker für einen Laborarbeitsplatz Bewerbende schwere Allergien gegen die Sunbstanzen hat, mit denen er arbeiten soll, besteht eine Offenlegungspflicht. Anders ist dies, wenn sich ein Steuerberater in einer Kanzlei vorstellt und auf Grund eines Knieleidens bestimmte Sportarten meiden muss, im Alltag aber unbeeinträchtigt ist.


Qualifikation: Den eingangs gemachten Ausführungen entsprechend (der Arbeitgeber ist berechtigt, für die jeweilige Stelle relevante Informationen abzufragen) müssen Erkundigungen zu Aus- und Fortbildung und allgemein zum curriculum vitae zutreffend beantwortet werden. Dies gilt freilich nur, soweit der Lebenslauf aussagekräftig für den avisierten Job ist: Der Bewerber, der als Internist reüssieren möchte, muss sich nicht zu einer vormaligen Gesangsausbildung äußern.


Rauchen: Der Bewerber muss die Frage, ob er raucht oder nicht, nicht beantworten. Da dies keine betrieblichen Belange tangiert, ist das Thema „privat“. Eine andere Sache ist natürlich, dass kein Mitarbeiter gegen ein Rauchverbot am Arbeitsplatz verstoßen darf.
Religion: Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht berechtigt daran interessiert, ob ein Mitarbeiter einer Religion angehört und damit auch nicht daran, welche das gegebenenfalls ist. Sowohl der Glaube als auch der Nichtglaube sind eine private Angelegenheit. Hiervon gibt es allerdings eine anerkannte Ausnahme: Das Betriebsverfassungsrecht nimmt die sog. Tendenzbetriebe in § 118 I, II BetrVG ganz oder teilweise von seinem Anwendungsbereich aus. Dies sind Betriebe, mit denen der Unternehmer nicht oder nicht nur Geld verdienen will, sondern (auch) andere Zwecke verfolgt. Das können solche politischer, wissenschaftlicher u. ä. Art sein. § 118 II BetrVG nennt in diesem Zusammenhang Religionsgemeinschaften. Über den Regelungsbereich des BetrVG hinaus ist arbeitsrechtlich anerkannt, dass bei diesen Arbeitgebern etwas „andere Spielregeln“ gelten. Wer sich etwa bei kirchlichen Schulen oder Krankenhäusern mit kirchlichem Träger vorstellt, muss Fragen beantworten, die letztlich darum kreisen, ob der Mitarbeiter „dort hinein passt“ . Dies ist u. a. dem Umstand geschuldet, dass die Personen, die sich an solche Einrichtungen wenden, bestimmte Erwartungen haben, die wiederum auf den religiösen Kontext zurück gehen, in dem sich diese Betriebe präsentieren.
 
Der vorstehende „Katalog“ ist nicht abschließend; es gibt eine Vielzahl weiterer Beispiele (Vorstrafen, Suchtkrankheiten, politische Aktivitäten, bisheriger Verdienst usw.) Wir hoffen aber, das Bewusstsein für die Fragestellungen geschärft zu haben und stehen für weitere Auskünfte gerne zur Verfügung.