Die Reise nach Jerusalem – Wenn ein Mitarbeiter ausscheiden muss, weil ansonsten ein anderer „geht“ – Druckkündigung

Es ist keine besonders angenehme Situation für den Arbeitgeber, wenn ein Mitarbeiter fordert, einen anderen Arbeitnehmer zu entlassen und für den Fall, dass das nicht geschieht, ankündigt, sein eigenes Arbeitsverhältnis zu beenden. Eine solche Drucksituation kann auch in anderen Konstellationen auftreten:  Kollegen weigern sich – ohne eine Kündigung anzudrohen –, mit einem bestimmten Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten oder Kunden beabsichtigen die Geschäftsbeziehung abzubrechen, wenn sie weiterhin mit einem bestimmten Mitarbeiter zu tun haben (müssen), oder eine Behörde verweigert eine Genehmigung und begründet dies mit der Unzuverlässigkeit eines Mitarbeiters o.ä.. Wir sind selbst gerade als Prozessbevollmächtigte in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit mandatiert, in dem mehrere andere Arbeitnehmer ihre eigene Kündigung für den Fall thematisiert haben, dass sie mit dem jetzigen Kläger (gegen eine außerordentliche Kündigung) noch in irgendeiner Form zusammenarbeiten müssen.
Arbeitsrechtlich fragt sich, ob der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der eine dieser Situationen verursacht, kündigen darf. Man spricht von der Möglichkeit einer sog. Druckkündigung. Diese ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Man muss zwei Fälle unterscheiden:
„Unechte Druckkündigung“: Ein Arbeitnehmer führt die Drucksituation vorwerfbar durch sein Verhalten herbei, indem er beispielsweise Kollegen unberechtigt kritisiert oder beleidigt. Wegen seines personen- oder verhaltensbedingten Fehlverhaltens kann dann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses schon nach den allgemeinen Maßstäben rechtswirksam sein, weil sie i. S. d. § 1 KSchG gerechtfertigt ist.

„Echte Druckkündigung“: Hier wird der Arbeitgeber von Dritten um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ersucht, ohne dass der betreffende Arbeitnehmer ein im Übrigen für eine Kündigung ausreichendes (Fehl-)Verhalten an den Tag gelegt hat. In dieser Variante liegt die Drucksituation etwa darin begründet, dass sich ein Mitarbeiter bei seinen Kollegen – rechtlich ansonsten irrelevant – unbeliebt gemacht hat („man kann sich nicht mehr ertragen“) und diesen in der Folge jede Zusammenarbeit mit ihm zuwider ist.

Nun liegt es auf der Hand, dass nicht jede „schlechte Stimmung“ im Unternehmen zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses berechtigen kann. Das BAG (vgl. Urteil vom 18.07.2013 – 6 AZR 420/12) erachtet Druckkündigungen unter den folgenden Voraussetzungen als rechtswirksam (die erkennen lassen, dass diese Form der Kündigung ultima ratio ist):
Solange in der Variante der „unechten Druckkündigung“ ein Sachverhalt gegeben ist, der die Kündigung schon für sich genommen nach § 1 KSchG rechtfertigt, bedarf es nicht besonderer Voraussetzungen. Unterhalb dieser Schwelle ist die Druckkündigung für den Arbeitgeber aber eine Maßnahme für den Notfall.

Zunächst einmal darf der Arbeitgeber den Anliegen derer, die die Entlassung des betreffenden Mitarbeiters begehren, nicht beliebig nachgeben. In der arbeitsgerichtlichen Terminologie heißt es, dass sich der Arbeitgeber „schützend vor den Arbeitnehmer stellen“ muss, bevor es zu weiteren Schritten kommt (vgl. etwa LAG Hessen, Urteil vom 27.08.2012 – 16 Sa 442/12). So muss der Arbeitgeber grundsätzlich zuerst versuchen, die Dritten von ihrem Verlangen/Vorhaben abzubringen.  Wenn dies entweder nicht gelingt oder im Einzelfall unzumutbar ist, muss zum Beispiel eine Versetzung des Arbeitnehmers versucht werden. Auch von diesem wird in diesem Stadium erwartet, durch seine Zustimmung zu einer Entspannung der Drucksituation beizutragen.

Erst nachdem diese und weitere Instrumente tatsächlich ausscheiden oder ausgeschöpft sind, kann das Arbeitsverhältnis gekündigt werden.

Insgesamt ist noch zu wissen, dass der Arbeitgeber nicht kündigen – ggf. auch nicht versetzen – darf, wenn er die Drucksituation selbst herbeigeführt hat.
Interessant ist schließlich, ob dem Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz „ohne sein Zutun“ verlassen muss, Schadensersatzansprüche zustehen. Grundsätzlich kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegen eine Person in Betracht, die die Kündigung des Mitarbeiters sittenwidrig vorsätzlich verursacht hat. Möglicherweise kommen auch Schadenersatzansprüche auf Grund anderer Normen in Frage. Für den entlassenen Arbeitnehmer wird außerdem ein Aufopferungsanspruch analog § 904 BGB gegenüber dem Arbeitgeber diskutiert.

Eine – vor allem „echte“ – Druckkündigung ist ein „heißes Eisen“. Wir beraten Sie gerne umfassend.